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Kraft schöpfen

Ich bin sehr oft von Menschen umgeben, die am "Ende ihrer Kräfte" angelangt sind. 

Sei es durch erschöpfende Umstände in der Familie, am Arbeitsplatz, durch Krankheit, Verletzungen, Umweltkatastrophen usw.

Jeder Mensch kennt wohl solche Zustände. Auch ich. Klarerweise.

Bei mir fühlt es sich dann immer so an, als würde ich eine "Schutzschicht" ablegen, wie einen unsichtbaren Mantel. Ich bin dann völlig schutzlos und scheinbar allem wehrlos ausgesetzt, was da so kommt. Angreifbar, schwach, verletzbar. Unfähig, noch mehr abzuwehren oder ertragen zu können. 

Kennst du dieses Gefühl?

 

Schon lange beschäftige ich mich damit, wie man dem rechtzeitig vorbeugen oder es vielleicht sogar ganz verhindern kann.

Früher hörte ich dann immer Sätze wie "lass es gar nicht erst so weit kommen" oder "warte nicht zu lange, bis du handelst". "Achte gut auf dich und tu was dir Freude macht".

All dem stimme ich voll und ganz zu. Doch trotzdem hat es sehr lange gedauert, bis ich begriffen habe, dass ich mein Bewusstsein ändern darf, um in meine Kraft zu kommen. 

Die Umstände ändern sich nicht, doch es kommt drauf an, wie ich damit umgehe. 

Bin ich vorher schon "leer" und erschöpft, wird mich schon eine kleine Außergewöhnlichkeit aus der Bahn werfen.

Ruhe ich grundsätzlich in mir selbst, dann reagiere ich auch in herausfordernden Situationen höchstwahrscheinlich viel gelassener.

 

Nicht immer kann ich zur Gänze verhindern, dass mir bestimmte Ereignisse für kurze Zeit den Boden unter den Füßen wegziehen. 

Oder dass ich mich dennoch einmal erschöpft und geschwächt fühle.

Meist ist es ja so, dass vieles, was mich überfordert, plötzlich und zeitgleich daherkommt. Wie eine Welle, die manchmal eher einer Sturzflut ähnelt.

 

Im Zeitpunkt, wo das alles auf mich hereinbricht, kann ich da überhaupt nichts mehr ändern dran. 

Mein Handeln beginnt schon viel früher.

Indem ich mich stärke, in dem ich an mir arbeite, in dem ich bei mir selbst bleibe und im Moment bin.

Nicht panisch in Angst und Schrecken verfalle, sondern mich dem hingebe, was ist. Vertrauensvoll und bedacht lege ich mich in die Welle, wissend, dass ich schwimmen kann. Wissend, dass ich meine Muskeln trainiert und gestärkt habe. Wissend, dass ich behütet bin. Es bringt in den wenigsten Fällen etwas, panisch um sich zu schlagen und hektisch mit den Armen zu rudern, außer dass mich das noch mehr erschöpft.

Hin und wieder geht´s natürlich nicht anders. Überraschend mit dem Kopf ins Wasser gedrückt, reagiere ich instinktiv. 

Doch auch hier ist es von Vorteil, wenn ich mir vorher ein "Notfall-Paket" geschnürt habe. 

Im äußersten Fall ist mein Notfall-Paket immer "ATMEN". 

Wenn´s ganz dick und schlimm kommt, gibt es nichts anderes zu tun für mich. Nur atmen. 

Ich habe das in einer für mich sehr gewaltigen Lebenskrise herausgefunden und wende es nun regelmäßig an. 

Manchmal vergesse ich darauf!

Ja! Tatsächlich! Ich denke nicht dran, dass ich doch nur atmen muss - weil es ja von selbst geht. Mir fällt nicht auf, dass ich oberflächlich hechle und damit eher Kraft abgebe, als sie in mich aufzunehmen. 

Alles wird eng in mir - der Brustraum schnürt sich zu, der Hals, das Herz und vermutlich auch alle Muskeln und Gefäße.

Erinnere ich mich dagegen an mein Atmen, so spüre ich sofort, wie der Druck abfällt. Innerlich und dann fast immer auch äußerlich.

Es ist wirklich spannend, wie Gedanken fließen, wie Bewusstheit beeinflusst, wie Energien wirken.

 

Hast du dir schon einmal Gedanken gemacht darüber?

Woher beziehst du Kraft?

Kannst du dich in Stressmomenten "beiseite" nehmen und zur Ruhe kommen?

Lässt du dich anstecken von hektischen oder beängstigenden Umständen?

Schaffst du es, bei dir zu bleiben?

Wie sieht dein persönliches "Notfall-Paket" aus?

Nutzt du Möglichkeiten, um aufzutanken? 

 

Bei mir ist es immer wieder die Natur, die mich auftanken und aufatmen lässt. 

Ich kann beim Gehen so viel an Negativem von mir abstreifen. Gedanken, Energien, Ängste. 

Natur lehrt mich immer wieder aufs Neue. Sie zeigt mir, dass das Schöne, Poetische neben dem Vernichtenden, Vergänglichen existiert. Denn das ist das Leben. 

Ich schöpfe Kraft aus diesen Erkenntnissen. 

Aus dem Annehmen von alltäglichen, oftmals erschreckenden Ereignissen. Aus der Gelassenheit, den Dingen ihren Lauf zu lassen. Aus dem Vertrauen, dass ich nichts tun muss, um am Leben zu bleiben - außer Atmen.

 

"Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie.

Seid ihr nicht viel mehr wert als sie?" (Matthäus 6, 26)

 

Ob ich tatsächlich mehr wert bin als ein Vogel des Himmels sei dahingestellt. Doch für mich drückt dieses Bibelzitat so anschaulich aus, dass wir oft falschen Dingen hinterherlaufen. Anstatt im göttlichen Vertrauen zu sein, glauben wir hetzen und rasen zu müssen, um überleben zu können.

Doch wenn wir unsere eigene Mitte finden und in ihr ruhen, dann kommt alles andere von selbst. 

Kraft, Mut, Klarheit und das Wissen um unsere innere Größe, die doch dem Göttlichen immer untergeordnet ist. 

Denn unser Atmen hängt letztendlich doch von einer höheren Macht ab und nicht von uns selbst.

 

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Elke (Montag, 26 Juli 2021 21:40)

    Wie immer bin ich ganz bei dir. Schade nur, dass die Menschen heute verweicht sind und keinerlei Verantwortung für was auch immer übernehmen (wollen) und wenn es "nur" für sich selbst ist. Und mit Atmen heilen, Unheil abwenden, kann man so schlecht Profit machen.
    Maximal an einem "Luftkurort", beim "Waldbaden" und mit den Asthmatikern. Wie falsch kommt auch die Beleidigung "du bist für mich Luft" rüber, oder habe nur ich es immer falsch verstanden. Unser Leben beginnt mit dem 1. Atemzug und endet mit dem letzten. Nur wenige Minuten nicht zu atmen bedeutet den sicheren Tod. Wie gut, dass es im Normalfall automatisch geschieht.